Weinleidenschaft #10 - Terroir
August 2024
Das Thema „Terroir“ hat aus meiner Sicht zwei grundlegende Betrachtungen. Zum einen der landwirtschaftliche Einfluss der Weinbergslage und die Beschaffenheit des Bodens, welche sich mitunter zahlreichen weiteren Aspekten in der Qualität der Traube und sich damit im Geschmack des Weines widerspiegelt. Eine andere Sicht sind die Klassifikationen von Weinbergslagen durch die Weinbauverbände als Marketing-Instrument zur Profilierung einzelner Weine und Weinbergslagen angewandt werden. Ich beschäftige mich in diesem Beitrag nur mit dem Wichtigsten, was wir haben, unseren Weinreben.
Diese brauchen bestimmte Bedingungen wie genügend Sonnenstunden und Wasser, um reife Trauben zu erzeugen, aber auch kalte Winter, um zur Ruhe zu kommen. Deshalb liegen die Weinbaugebiete immer in gemäßigten Breiten. Darüber hinaus haben die Geographie (Hangneigung, Hangrichtung, etc.), das Microklima und die Beschaffenheit des Bodens ebenfalls einen Einfluss auf die Reifung der Traube. Das wird in dem Begriff "Terroir" (französisch Gegend, Boden) zusammengefasst.
In Frankreich hat man schon lange vor Deutschland Weinberge bzw. Weinbergslagen klassifiziert. Wir kennen das z. B. aus Bordeaux. Am linken Ufer von Garonne und Gironde liegt das Medoc. Es hat warme, trockene Kiesböden, die ideal für die Reife der Qualitätssorte Cabernet Sauvignon sind. Berühmte Appellationen sind Château Mouton Rothschild, Château Lafite Rothschild, Château Margaux. Das rechte Ufer hat eher kühle und feuchte Lehmböden. Diese hemmen ein wenig die Reife, was der frühreifenden Rebsorte Merlot entgegenkommt. So hat sie mehr Zeit, ihre feinen Aromen auszubilden. Berühmte Appellationen hier sind St-Emilion und Pomerol.
Der Rheingau ist eine typische "Cool Climate"-Region. Kein Wunder, dass hier Rebsorten wie Riesling oder Pinot Noir ideale Bedingungen haben. So bewahrt der Riesling seine feine Säure und hat eine genügend lange Reifezeit, um seine vielschichtigen Aromen auszubilden. Der Pinot Noir liebt heiße Tage und kühle Nächte. Die kühle Luft des Taunus-Waldes, die Nachts durch die aufsteigende warme Luft über dem Rhein in die Weinberge gezogen wird, bewahrt dem Pinot sein kühles Finish.
Einzelne Weinberge oder Weinbergslagen sind also nicht unbedingt besser oder schlechter. Vielmehr müssen sie zur Rebsorte und dem gewünschten Weinstil passen. Denn wer möchte entscheiden, ob ein leichter, spritziger Riesling besser oder schlechter ist als ein schwerer und dunkler Cabernet Sauvignon? Das ist doch eine Frage des Geschmacks, des Anlasses, des Essens, etc.
Ein wichtiger Aspekt wäre dann auch noch der Wetterverlauf eines Jahres. In feuchten Jahren haben Weinberge mit leichten Böden Vorteile. In trockenen Jahren leiden dort die Reben. Dann haben Weinberge auf schweren Böden mit viel Wasserhaltekraft die Nase vorne. Besser oder schlechter ist dann sehr relativ!
Die Frage ist nun, inwieweit sich die Individualität eines einzelnen Weinberges im Geschmack des Weines ausdrückt. Denn neben dem Weinberg und seinem Boden gibt es noch andere, genauso wichtige geschmacksrelevante Faktoren. So z. B. der Lesezeitpunkt. Sorten wie Sauvignon haben je nach Lesezeitpunkt ganz unterschiedliche Aromaprofile. Bei früh gelesenen Sauvignons dominieren "grüne" Aromen nach Gemüse (Spargel), Kräutern, Stachelbeere oder Johannisbeere. Spät gelesene Sauvignons haben ganz viel Exotik (Grapefruit, Maracuja, Passionsfrüchte). Aber auch andere Faktoren wie die Bewirtschaftung des Weinberges (Ertragsregulierung, Entblätterung, Bodenpflege etc.) oder der Weinausbau (Hefe, Gärtemperatur etc.) haben bedeutenden Einfluss auf den Geschmack eines Weines.
Über diese wesentlichen Faktoren wird aber kaum gesprochen, was den Eindruck erweckt, dass der Weinberg fast schon alleine qualitätsbestimmend ist. Das sieht man an der aktuellen Diskussion in der Weinwirtschaft über die Qualitätspyramide. Dazu kommt auch z. T. Unkenntnis. So z. B. höre ich in Verkostungen immer wieder, dass beim Sauvignon Blanc vom „Feuersteinaroma“ gesprochen wird. Dieses wird der Gruppe der mineralischen Töne zugeordnet, ist aber in Wahrheit ein Sekundäraroma und stammt aus der Gärung. Überhaupt scheint im Zuge der Terroir-Diskussion die „Mineralik des Weines“ an Bedeutung gewonnen zu haben.
Der Mythos lautet, dass ein tief wurzelnder Rebstock aus dem Boden "Mineralik" löst und in die Trauben transportiert. Und je älter der Rebstock ist, je tiefer er wurzelt, desto besser gelingt ihm das. Deshalb preisen oft Winzer Ihre Weine aus solchen Weinbergen z. B. gerne als "Alte Reben". Dazu kommen Darstellungen von "Sedimentsgesteinen" wie Schiefer, Muschelkalk, Schiefer in allen Formen und Farben, usw. Die geschmacklichen Eigenschaften von "Mineralik" sind teilweise widersprüchlich (mal "stoffig“, mal "schlank", Zitat Felix Bodemann, Weinschule 2.0). Mineralstoffe sind anorganische Nährstoffe, die entweder als Mengenelemente wie z. B. Kalium in der Traube auftauchen oder als Spurenelemente wie Eisen. Eine Rebe ist aber kein Bergbauer. Ein Wein enthält Mineralstoffe zwischen 1,5 bis 3,0 Gramm pro Liter. Vergleichbar mit gutem Mineralwasser. Mineralik ist vermutlich also schmeckbar, aber ganz sicher nicht stil- und qualitätsprägend!
Zusammenfassend zum Thema "Terroir" kann man sagen, dass die Region und der Weinberg natürlich einen stilprägenden Einfluss auf den Wein haben. Aber es ist nur ein Teil des Puzzels. Welche Rebsorten wir pflanzen, wie wir unsere Weinberge pflegen, wann wir ernten und wie wir den Wein ausbauen hat einen viel größeren Weinfluss auf den Geschmack des Weines als »nur« sein Terroir allein.
Wäre auch schlimm, wenn es für guten Wein nicht mehr bräuchte als sein „Terroir“ und wir Weinmacher*innen ersetzbar wären ;-)